Ein übersehenes Risiko: Hitze gefährdet die psychische Gesundheit

Hintergrund

Hitzewellen setzen nicht nur dem Körper, sondern auch der Psyche zu – von verstärkter Klimaangst bis hin zu erhöhten Suizidraten. Besonders Kinder und Jugendliche sind gefährdet. Warum mentale Gesundheit in Hitzeaktionsplänen eine größere Rolle spielen muss.

 Illustration: Eine Person hält sich erschrocken den Kopf. Links sind eine brennende Erdkugel, Sonne, Thermometer und Aufwärtspfeil dargestellt.

Psychische Erkrankungen sind weltweit auf dem Vormarsch, und die Klimakrise könnte dieses Problem noch verschärfen. Besonders Hitzewellen stellen eine zunehmende Belastung für Körper und Psyche dar. Sie können bestehende psychische Erkrankungen verschlimmern und Ängste, wie etwa die sogenannte „Klimaangst“, verstärken. Oft konzentrieren sich Anpassungsstrategien und Hitzeaktionspläne jedoch nur auf körperliche Auswirkungen, wie Erschöpfung oder Hitzschläge. Die psychischen Folgen werden hingegen kaum beachtet. Doch das muss sich ändern: Die mentalen Belastungen durch extreme Hitze müssen genauso ernst genommen werden wie körperliche Beschwerden. Vor allem Kinder und Jugendliche sollten besonders geschützt werden, da ihre psychische Gesundheit entscheidend für ihre Entwicklung ist.

Die psychischen Folgen extremer Hitze

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass steigende Temperaturen zu mehr Krankenhauseinweisungen aufgrund psychischer Erkrankungen führen können. Auch die Suizidraten nehmen während Hitzewellen zu. Zudem verstärkt Hitze aggressives und gewalttätiges Verhalten. Besonders gefährdet sind Menschen, die bereits mehreren Risikofaktoren ausgesetzt sind, wie etwa chronischen Krankheiten oder Armut. Auf dem Land sind die Wege zu Gesundheitsdiensten oft weit und auch die hausärztliche Versorgung nicht immer gut gewährleistet. In städtischen Gebieten leiden besonders benachteiligte Gruppen unter den Hitzeinseln, da sie oft in schlecht isolierten Wohnungen leben, die nicht vor Hitze schützen.

Kinder und Jugendliche sind dabei besonders verwundbar: Ihre Gehirne befinden sich noch in der Entwicklung. Besorgniserregend ist also die Tatsache, dass psychische Erkrankungen bei jungen Menschen weltweit zunehmen. Trotz dieser alarmierenden Erkenntnisse wird der Zusammenhang zwischen Hitze und psychischer Gesundheit oft übersehen – sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik und im Gesundheitswesen. Daher fehlt es in Hitzeaktionsplänen bisher an Maßnahmen, die die psychischen Belastungen durch Hitze verringern.

Wie können wir uns schützen?

Derzeit werden in vielen Kommunen Hitzeaktionspläne entwickelt. Diese Pläne müssen Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten. Da die Auswirkungen von Hitze je nach Region unterschiedlich sind, ist es wichtig, dass Expert*innen und Bürger*innen vor Ort in die Planung einbezogen werden.

Aufklärungskampagnen sind eine gute Möglichkeit, um das Bewusstsein für die psychischen Risiken von Hitze zu schärfen. Schulen, Jugendzentren und Sportvereine sind geeignete Orte, um solche Kampagnen durchzuführen. Dabei kann auf Erfolgsmodelle aus der Vergangenheit zurückgegriffen werden, wie zum Beispiel HIV-/AIDS-Aufklärung oder Programme zur Suchtprävention.

Besonders wichtig ist es, während einer Hitzewelle klare Informationen zu verbreiten. Dafür sollten verschiedene Kommunikationswege wie Soziale Medien, Webseiten, Zeitungen oder Plakate genutzt werden. Beispiele wie die WarnWetter-App des Deutschen Wetterdienstes, die Warn-App NINA, Hitzewarnungen auf den Bildschirmen der Berliner U-Bahn oder das „Hitzetelefon“ in Kassel zeigen, dass dies bereits funktioniert. Solche Informationen müssen für alle zugänglich sein, unabhängig von Sprache oder technischen Hürden.

Illustration: Person mit Regenschirm, Sonne, Regenwolke, Thermometer, steigende Pfeile und eine Erdkugel mit Flammen, Eis und Häusern.

Klima in der Krise: Was wir über Extremwetter wissen müssen

Extremwetter, Hitzewellen, schwindende Lebensräume – die Klimakrise fordert konkrete Antworten. Doch was bedeutet Klimaanpassung in der Praxis? Ein Dossier über Herausforderungen, Lösungen und die Balance zwischen Anpassung und Schutz.

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Lösungen: Grüne Orte und Gemeinschaft

Es gibt viele Möglichkeiten, hitzebedingte Gesundheitsrisiken zu verringern. Durch die zunehmende Intensität und Dauer von Hitzewellen muss unsere Infrastruktur angepasst werden, um kühlere Orte zu schaffen und die Hitze zu reduzieren. Das betrifft etwa Schulen, Kindergärten, Sportzentren und öffentliche Plätze. Städte und Gemeinden sollten ihre Bauvorschriften anpassen und Grünflächen priorisieren. Da städtebauliche Änderungen oft Zeit brauchen, sind schnelle Entscheidungen wichtig. Kurzfristige Maßnahmen, wie das Nachrüsten von Klimaanlagen, können zusätzlich rasch umgesetzt werden.

Die Natur bietet ebenfalls Abhilfe: Zeit im Grünen zu verbringen, wirkt beruhigend auf die Psyche. Grünflächen sind nicht nur Rückzugsorte, sondern fördern das Gemeinschaftsgefühl. Auch verkehrsberuhigte und begrünte Straßen können helfen.

Gleichzeitig sollten junge Menschen, die besonders unter der Klimaangst leiden, stärker unterstützt werden. Gesprächsräume, in denen sie ihre Ängste und Sorgen teilen können, fördern das Wohlbefinden. Es hilft zudem, wenn Schulen und Jugendzentren Personal haben, das für den Umgang mit Hitzewellen geschult ist. Jugendliche können außerdem zu Ersthelfern für psychische Gesundheit ausgebildet werden und so Selbstwirksamkeit erfahren.

Mentale Gesundheit im Zeichen der Klimakrise: Es gibt noch viel zu tun!

Extreme Hitze ist nicht nur ein körperliches Risiko, sondern auch eine Bedrohung für unsere psychische Gesundheit. Besonders Kinder und Jugendliche sind gefährdet. Um diese Risiken zu minimieren, müssen die Auswirkungen von Hitze auf die mentale Gesundheit in Hitzeaktionsplänen und Anpassungsstrategien berücksichtigt werden. Dazu gehören eine gute Aufklärung der Bevölkerung, die Begrünung unserer Städte, der Umbau von Infrastruktur und eine stärkere Unterstützung für junge Menschen. Nur so können wir besser mit den mentalen und physischen Belastungen der Klimakrise umgehen.


Disclaimer: Dieser Text fasst die in einem Workshop erarbeiteten Erkenntnisse von rund 20 internationalen Expert*innen aus den Bereichen der Klimawissenschaft, Gesundheit und Nachhaltigkeit zusammen. Der Workshop hatte zum Ziel, mögliche Lösungen zur Verringerung der Auswirkungen von Hitze auf die psychische Gesundheit junger Menschen zu diskutieren. Unterstützt wurde der Workshop durch das Bosch Alumni Netzwerk und die KLIMA ARENA Sinsheim.